: DFB plant mit Dreigestirn
Nach langer Suche scheint der Deutsche Fußball-Bund fündig geworden: Jürgen Klinsmann soll Bundestrainer werden, Holger Osieck Assistent und Oliver Bierhoff Manager der Nationalmannschaft. Lothar Matthäus bleibt Deutschland somit erspart
VON FRANK KETTERER
Wer sich nun, beim Blick auf den schließlich doch noch gefundenen neuen Bundestrainer, verwundert die Äuglein reibt, sei daran erinnert, wie das beim letzten Mal so war. Auch damals, im Juli 2000, suchte die Nation verzweifelt ihren obersten Fußball-Lehrer, auch damals hatte sich eigens eine Art Kommission so genannter Fachleute gebildet, unter ihnen auch der ehemalige Weltklassestürmer und damalige Sportdirektor von Bayer Leverkusen, Rudi Völler. Bei einem Gipfeltreffen an einem heiligen Sonntag in Leverkusen ist es dann schließlich zu jenem Vorfall gekommen, der mittlerweile deutsche Fußballfolklore ist: Alle in der Runde schauten plötzlich auf Rudi Völler, einer fragte schließlich: „Warum nicht du?“ – und fortan war der damals 40-Jährige Bundestrainer, obwohl er noch nicht einmal im Besitz eines Trainerscheins war.
Auch Jürgen Klinsmann war, wie Völler, einmal Stürmer von Weltklasse, sogar den Trainerschein hat er anschließend gemacht. Und auch den Schwaben scheint die Berufung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nun wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen zu haben. Letzte Woche jedenfalls lederte Klinsmann in einem Interview mit der SZ noch derart gegen den DFB ab („Das Bild, das der DFB abgibt, ist einfach jämmerlich. Im Prinzip muss man den ganzen Laden auseinander nehmen“), dass jedem klar war: Der wird’s sicher nicht.
Nur ein paar Tage später flogen DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder und sein Generalsekretär Horst R. Schmidt dennoch nach New York, um sich dort mit dem in Florida lebenden Klinsmann zu treffen und auszutauschen. Als die beiden DFB-Granden den Rückflug antraten, hatten sie zumindest Klinsmanns Zugeständnis, dem DFB helfen zu wollen, „unabhängig von der Funktion“, wie der 39-Jährige am Mittwochabend noch in einer Erklärung via dpa wissen ließ. Klinsmann in dieser: „Wir hatten in New York fünf Stunden lang ein konstruktives und offenes Gespräch, in dem die Situation der deutschen Nationalmannschaft analysiert wurde. Ich habe dabei nochmals meine Bereitschaft erklärt, aktiv bei der Gestaltung und der Umsetzung neuer Strukturen mitzuarbeiten. Wir haben vereinbart, die Gespräche fortzusetzen.“ Weit mehr wussten zu diesem Zeitpunkt freilich schon die Klinsmann nahe stehende SZ sowie das Branchenfachblatt kicker. Beide Gazetten veröffentlichten gestern übereinstimmend diesen DFB-Masterplan: Klinsmann wird nicht nur Berater, sondern gleich neuer Bundestrainer, ihm zur Seite gestellt wird der erfahrene Holger Osieck, einst Beckenbauer-Assistent, den von Klinsmann vehement geforderten Posten des Nationalmannschafts-Managers soll Oliver Bierhoff einnehmen, auch er dereinst Stürmerstar von internationalem Format.
So ganz in trockenen Tüchern scheint die Chose freilich noch nicht. Gestern ließ der DFB jedenfalls einschränkend wissen, er wolle die Führungsfrage seiner Nationalmannschaft am Wochenende klären. „Wir haben uns vorgenommen, bis zum Sonntag eine endgültige Lösung vorzulegen“, so Werner Hackmann, Mitglied der DFB-Trainerfindungskommission. Vor allem das Mitwirken von Golden-Goal-Schütze Bierhoff in der Troika schien zumindest gestern noch vage. Zwar hatte der 36-Jährige schon vor Tagen sachtes Interesse an dem neu zu schaffenden Posten bekundet („Wenn der Jürgen als Trainer mitmachen würde, dann könnte ich mir vorstellen, dass der Job richtig Spaß macht. Das wäre ein gutes Modell“), gleichwohl musste er am Mittwochabend noch feststellen: „Mit mir hat noch niemand gesprochen.“ Bis Sonntag ist ja auch noch Zeit, und zumindest die Weichen scheinen eindeutig gestellt: in Richtung Dreifaltigkeit.
Schon jetzt aber muss verwundern, dass die alten Herren vom DFB tatsächlich mit Klinsmann verhandelt und ihn offensichtlich für gut befunden haben, obwohl er sich im Vorfeld so durch und durch kritisch über die Machenschaften im Verband geäußert – und sogar eine Altersbegrenzung für dessen Funktionäre für gut befunden hatte. In besagtem SZ-Interview hatte der gelernte Bäcker jedenfalls angemahnt, die Planungen über die WM im eigenen Land und damit über das Jahr 2006 hinaus zu richten. Klinsmann: „Da muss mindestens ein Zehnjahresplan entwickelt werden. Aber viele beim DFB haben die Einstellung: Hauptsache, ich bin bei der WM 2006 noch im Boot.“ Ganz offensichtlich geht es dem 108-maligen Nationalspieler um eine Kernsanierung. „Die Nationalmannschaft ist ja nur das Aushängeschild. Man muss alles darunter bis in die Jugend durchleuchten“, so Klinsi. Dass er nun aller Wahrscheinlichkeit nach Gelegenheit bekommt, die eigenen Worte in Taten umzusetzen, kann nur der großen Not bei der Trainerfindung geschuldet sein – oder dem Einsehen, dass es ohne das Aufbrechen der alten, starren Strukturen im DFB wirklich nicht mehr geht.
Verwundern muss freilich auch, dass ausgerechnet Franz Beckenbauer, bisher eine Art DFB-Cheffahnder, bei der Klinsmann-Findung nicht mit von der Partie war. Weder durfte er mit dem DFB-Tross nach New York jetten, noch war Klinsmann jemals vom Kaiser auch nur ansatzweise in Erwägung bzw. in die öffentliche Diskussion geworfen worden. Stattdessen, so scheint es sich nun immer mehr herauszukristallisieren, hat Beckenbauer im inner circle stets mächtig für Lothar Matthäus Stimmung gemacht – und darüber, so jedenfalls stellt es sich derzeit dar, sogar die Verhandlungen mit wirklich ernst zu nehmenden Kandidaten wie Guus Hiddink oder Morten Olsen schleifen lassen. Mit beiden, so weiß es der kicker zu berichten, wurde nie direkt, sondern stets nur über Mittelsmänner in Kontakt getreten. Sehr viel Engagement von Beckenbauers Seite lässt das nicht erahnen. Am Montag soll es in der TFK darob sogar mächtig Zoff gegeben haben, vor allem Mayer-Vorfelder sowie Liga-Boss Werner Hackmann müssen dabei mehr als deutlich gemacht haben, dass Matthäus für sie nie und nimmer in Frage kommt. Für Beckenbauer war das eine herbe Schlappe, für Bild nicht minder. Schließlich war Matthäus, ganz im Gegensatz zu Klinsmann, schon immer ein Günstling des Springer-Blattes, zu seinen aktiven Zeiten galt er gar als Maulwurf der Bild-Reporter in der National- und Bayern-Mannschaft. Schon deshalb ist es mehr als prima, dass Matthäus, der in den letzten Wochen nicht nur in seiner Sportbild-Kolumne keine Gelegenheit ausließ, seine Bereitschaft zu signalisieren, gestoppt wurde.
Nun soll also Klinsmann Bundestrainer werden. Ob das eine wirklich gute Idee ist, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden, schließlich hat der große Blonde dafür noch keinen Tauglichkeitsnachweis abgeliefert. Nie zuvor hat der 39-Jährige eine Mannschaft trainiert, was nun wirklich etwas seltsam anmutet, andererseits bei Völler nicht anders war. Uns Rudi hatte damals, wie auch Beckenbauer, noch nicht einmal den Trainerschein in der Tasche. Ähnlich wie bei diesen beiden scheint der DFB nun auch bei dem Schwaben auf dessen Charisma und Charme zu setzen, im Medienzeitalter keine unwichtigen Attribute; für das Fachspezifische gibt es ja schließlich den erfahrenen Holger Osieck. Die Bundesliga scheint sich mit der angestrebten Lösung jedenfalls anfreunden zu können. Bayern-Manager Uli Hoeneß findet sie „gut und mutig“. Hoeneß: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht gut geht.“ Schau’n mer mal!